Kinderwunsch
Die meisten Paare, die sich heutzutage ein Kind wünschen, gehen davon aus, dass sich ihr Wunsch nach einer Schwangerschaft schnell und problemlos in die Tat umsetzen lässt. Doch so einfach ist es leider vielmals nicht und eine steigende Anzahl an Paaren bleibt zunächst ungewollt kinderlos – trotz Kinderwunsch.
Manche Paare warten bis zu einem Jahr auf die ersehnte Schwangerschaft. Es besteht also kein Grund zur Beunruhigung, wenn der positive Schwangerschaftstest ein wenig auf sich warten lässt. Ist allerdings ein Jahr mit regelmässigem, ungeschütztem Geschlechtsverkehr ohne Empfängnis vergangen, muss davon ausgegangen werden, dass medizinische Ursachen der Grund für das Ausblieben der Schwangerschaft sein können.
Ursachen
Lässt eine Schwangerschaft auf sich warten, können Fruchtbarkeitsstörungen sowohl bei der Frau als auch beim Mann ursächlich hierfür sein. Es gibt Paare, bei denen entweder die Frau oder der Mann unter einer Fruchtbarkeitsstörung leidet – es gibt aber auch Paare, bei denen bei beiden Partnern Störungen diagnostiziert werden. Und es gibt Paare, bei denen die Ursache für den unerfüllten Kinderwunsch nicht gefunden werden kann.
Bei Frauen sind in der Hauptsache hormonelle Probleme, welche Funktionsstörungen der Eierstöcke eine Störung der Eizellreifung nach sich ziehen, ursächlich für den unerfüllten Kinderwunsch. Auch Vernarbungen des Gebärmutterhalses oder Muskelknoten (Myome) in der Gebärmutter können die Befruchtung und Einnistung verhindern oder zu einer Fehlgeburt führen. Weiter führt ein teilweiser oder kompletter Verschluss der Eileiter dazu, dass der Transport der Eizelle oder die Passage der Samenzellen zur Eizelle erschwert oder sogar unmöglich wird. Auch Endometriose, also die gynäkologische Erkrankung, bei der sich Gebärmutterschleimhaut ausserhalb der Gebärmutter ansiedelt, kann sich negativ auf die weibliche Fruchtbarkeit auswirken.
Demgegenüber können zahlreiche Faktoren Auswirkungen auf die männliche Zeugungsfähigkeit haben, wobei die häufigste männliche Fruchtbarkeitsstörung darin besteht, dass nicht ausreichend intakte oder gut bewegliche Spermien produziert werden. Bei manchen Männern werden zwar ausreichend Spermien gebildet, jedoch sind die Samenwege hier aufgrund einer Störung des Spermientransports teilweise oder ganz verschlossen beziehungsweise nicht vollständig angelegt, weshalb sich die Spermien nicht mit der Samenzellflüssigkeit vermischen können. Dies führt dazu, dass zu wenige oder sogar gar keine intakten Spermien in der Samenflüssigkeit zu finden sind. Darüber hinaus gibt es Männer, bei denen der Samen im Zuge des Orgasmus nicht durch den Penis nach aussen befördert wird, sondern in die Blase abgegeben und später mit dem Urin ausgeschieden wird.
Des Weiteren kann eine unbehandelte Infektion mit Chlamydien sowohl zur Unfruchtbarkeit des Mannes als auch der Frau führen. Chlamydien gehören zu den am häufigsten sexuell übertragenen Krankheitserregern, welche in der Hauptsache durch ungeschützten Geschlechtsverkehr verbreitet werden. Die gute Nachricht ist, dass sich eine Chlamydien-Infektion mittels Antibiotika gut therapieren lässt.
Rauchen, übermässiger Alkoholkonsum, starkes Übergewicht, Drogenmissbrauch, Leistungssport oder ein überdurchschnittlich hohes Mass an Stress können ebenfalls negative Auswirkungen auf die männliche beziehungsweise weibliche Fruchtbarkeit haben.
Diagnose
Bleibt der Kinderwunsch über viele Monate hinweg unerfüllt, so empfiehlt sich der Besuch beim Gynäkologen oder bei der Gynäkologin, um mögliche Ursachen abklären und gegebenenfalls entsprechend therapieren zu lassen.
Dabei steht ein persönliches Gespräch des Paares mit dem Frauenarzt oder der Frauenärztin am Anfang einer jeden Untersuchung. Im Anschluss daran wird versucht, im Rahmen spezieller Untersuchungen, die in der Regel schmerzfrei und risikoarm vonstatten gehen, die Ursachen der Fruchtbarkeitsstörung zu diagnostizieren, wobei hier sowohl der Mann als auch die Frau untersucht werden.
Zu den Fruchtbarkeitsuntersuchungen beim Mann zählen:
- die Untersuchung des Samens beziehungsweise die Erstellung eines sogenannten Spermiogramms
- Hormonuntersuchungen zur Überprüfung der hormonellen Steuerung der Hodenfunktion
- der Ultraschall des Hodens, wobei die Gewebestrukturen des Hodens und des Nebenhodens begutachtet und die Hodengrösse gemessen wird
- genetische Fruchtbarkeitsuntersuchung (im Falle einer sehr geringen Spermienzahl)
- Entnahme einer Gewebeprobe aus den Hoden (Hodenbiopsie) zur Feststellung, ob die Hoden grundsätzlich Spermien produzieren
Bei einer Frau kommen folgende Untersuchungen in Betracht:
- Körperliche Untersuchung und Ultraschall zur Feststellung möglicher Entzündungen oder körperlicher Veränderungen
- Zyklusbeobachtung (da eine Frau ohne Eisprung nicht auf natürlichem Wege schwanger werden kann)
- Hormonuntersuchungen, wobei die Hormonproduktion selbst und das Zusammenspiel der Hormone im Monatszyklus überprüft wird
- zur Abklärung möglicher Veränderungen in den Eileitern oder der Gebärmutter kann eine spezielle Ultraschalluntersuchung vorgenommen werden (sog. Hysterosalpingo-Kontrastsonografie, HSKS)
- eine Bauchspiegelung zur Untersuchung der Eileiter, der Eierstöcke, der Gebärmutter und des gesamten übrigen Bauchraumes
- die Gebärmutterspiegelung (Hysteroskopie) zur Erkennung von Fehlbildungen, Verwachsungen, Myomen oder Schleimhautveränderungen in der Gebärmutter
Ausserdem kann ein sogenannter Postkoitaltest vorgenommen werden, also eine Untersuchung nach dem Geschlechtsverkehr. Dies allerdings unter der Prämisse, dass die Frau einen Zyklus mit Eisprung hat und der Mann ausreichend befruchtungsfähige Spermien produziert. Im Rahmen dieses Tests wird untersucht, ob genügend Spermien ihren Weg durch den Gebärmutterhals in Richtung der Gebärmutter und der Eileiter finden können.
Behandlungen
Diagnostiziert der behandelnde Arzt eine Fruchtbarkeitsstörung, so ist in vielen Fällen eine sog. reproduktionsmedizinische Behandlung möglich. Da sich der Erfolg der einzelnen Methoden jedoch nicht voraussagen lässt und einige von ihnen sowohl Körper als auch Psyche über Gebühr belasten können, empfiehlt es sich, alle Vor- und Nachteile, Chancen und Risiken vor Beginn einer Kinderwunschbehandlung eingehend zu durchleuchten und eingehend mit dem Partner und dem Gynäkologen oder der Gynäkologin zu besprechen.
Im Falle eines unerfüllten Kinderwunsches kommen unter anderem folgende Behandlungsmethoden in Betracht:
- Hormonbehandlung und hormonelle Stimulation zur Behandlung weiblicher Fruchtbarkeitsstörungen aufgrund von Hormonstörungen
- die Samenübertragung (Insemination), wobei befruchtungsfähige Samenzellen in die Gebärmutter der Frau eingebracht werden
- die sogenannte In-vitro-Fertilisation (kurz: IVF), also die künstliche Befruchtung (die Befruchtung der Eizelle findet nicht im Körper der Frau statt, sondern „künstlich“, also im Labor)
- die ICSI (= Intrazytoplasmatische Spermieninjektion): Bei dieser Art der künstlichen Befruchtung (= Befruchtung ausserhalb des weiblichen Körpers) wird eine einzelne Samenzelle mit einer sehr feinen Nadel direkt in eine Eizelle, die zuvor dem Eierstock der Frau entnommen wurde, injiziert.
- die Kryokonservierung, also das Tiefgefrieren von Ei- und Samenzellen, um diese zu einem späteren Zeitpunkt zu verwenden, im Rahmen einer IVF oder einer ICSI
- Erfüllung des Kinderwunsches mittels einer Samenspende
Nachbehandlung
Die Zeit während und nach einer (nicht-) erfolgreichen Kinderwunschbehandlung ist für viele Paare nicht einfach und führt häufig zu einem Wechselbad der Gefühle – Angst, Zuversicht, Hoffnung, Enttäuschung, Trauer und Wut kommen in Wellen und nicht immer gleichzeitig, sodass häufig auch die Beziehung zwischen Mann und Frau einer zusätzlichen enormen Belastung ausgesetzt wird. Aus diesem Grund raten Ärzte ihren zu betreuenden Paaren zumeist, offen mit ihrem unerfüllten Kinderwunsch und dem oft steinigen Weg, der mit diesem verbunden ist, umzugehen.
Während der Behandlungen sehen sich sowohl die Frau als auch der Mann häufig mit einer Vielzahl an Nebenwirkungen konfrontiert, die sich von Methode zu Methode unterscheiden und auch nach Abschluss der jeweiligen Therapie noch Teil des Lebens sein können.
Daher empfiehlt es sich, auch nach einer abgeschlossenen Kinderwunschbehandlung weiterhin in engem Austausch mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin zu verbleiben, alle Nachuntersuchungstermine wahrzunehmen, eventuell gemeinsam eine weitere Behandlung zu planen oder sich gegebenenfalls zusätzlich psychologische Unterstützung zu holen, um allein oder als Paar die gewonnenen Eindrücke und Erfahrungen zu verarbeiten – im positiven wie im negativen Sinne.
FAQ
Welche Komplikationen können im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung auftreten?
Zu den häufigsten Komplikationen im Zuge der Kinderwunschbehandlung zählen die sogenannte Eierstock-Überreaktion, Mehrlingsschwangerschaften, Eileiterschwangerschaften und Fehlgeburten beziehungsweise mögliche Fehlbildungen beim Kind, wobei diese für keine Schwangerschaft ausgeschlossen werden können.
Wofür steht der medizinische Fachbegriff «In-Vitro-Fertilisation»?
Die In-Vitro-Fertilisation (kurz: IVF) ist eine Befruchtung der weiblichen Eizelle, welche in einem Reagenzglas durchgeführt wird («in vitro» bedeutet: im Glas). Zum Zwecke der IVF werden der Frau befruchtungsfähige Eizellen entnommen. Diese werden in eine Nährlösung gegeben und mit den Samenzellen des Partners befruchtet.
Wie viele IVF-Zyklen sind sinnvoll?
In der Regel wird die Behandlung nach drei bis vier erfolglosen IVF-Zyklen abgebrochen. Die Behandlung ist relativ teuer, weshalb sich gewisse Paare dies nicht leisten können. Letztendlich ist dies jedoch immer eine ganz individuelle Entscheidung.
Was sind Ursachen der ungewollten Kinderlosigkeit?
Bleiben Paare über lange Zeit trotz Kinderwunsch kinderlos, liegt dies häufig daran, dass der Kinderwunsch gerne aufgeschoben wird, die Paare also später Kinder bekommen wollen. Umgekehrt sinkt jedoch mit zunehmendem Alter die Fruchtbarkeit. Doch auch bestimmte Lebensgewohnheiten wie Rauchen oder Alkoholkonsum können ursächlich für den unerfüllten Kinderwunsch sein. Manchmal stehen einer Schwangerschaft sogenannte organische Ursachen im Weg – bei Männern wie bei Frauen gleichermassen.
Dabei wird grundsätzlich zwischen Paaren, die überhaupt nicht auf natürlichem Wege schwanger werden (= die sogenannten Primäre Sterilität oder auch Unfruchtbarkeit) und solchen, die zwar schwanger waren und danach nicht mehr schwanger werden konnten (= die sogenannte Sekundäre Sterilität) unterschieden. Unter dem Begriff der Infertilität werden diejenigen Schwangerschaften subsumiert, welche immer wieder aufgrund von Fehlgeburten terminiert wurden, sodass zu keinem Zeitpunkt ein lebensfähiges Kind ausgetragen werden konnte.