Das Pleuramesotheliom ist eine Krebserkrankung des Rippenfells, die in der Regel mehrere Jahrzehnte nach der Exposition gegenüber Asbestfasern auftritt. Es gibt keine bekannte Heilung für diesen Tumor. Chemotherapie, Strahlentherapie und neuerdings auch systemische Immuntherapie wurden erfolgreich zur Behandlung des Pleuramesothelioms eingesetzt, wobei die mittlere Überlebenszeit etwa 12 bis 18 Monate beträgt.
Mehr als die Hälfte der Patienten kann aufgrund eines schlechten Leistungsstatus oder erheblicher Begleiterkrankungen keine aktive Behandlung erhalten. Ein Viertel der Patienten muss die immuntherapeutische Behandlung aufgrund erheblicher, manchmal tödlicher Nebenwirkungen abbrechen. Seit fast einem Jahrhundert ist die chirurgische Exzision ein fester Bestandteil der Behandlung dieses Tumors, aber in den letzten zwanzig Jahren war die Rolle der Chirurgie umstritten.
An der randomisierten Phase-III-Studie mit dem Namen MARS2 nahmen 335 Patienten teil. Sie wurde letztes Jahr in der Zeitschrift Lancet Respiratory Medicine veröffentlicht. MARS2 verglich eine alleinige Chemotherapie mit einer präoperativen Chemotherapie (2 Zyklen), gefolgt von einer Pleurektomie/vergrösserten Dekortikation und gegebenenfalls 4 Zyklen einer adjuvanten Chemotherapie. Diese Studie erregte grosses Aufsehen, denn auch hier konnte das mediane Überleben durch die Operation nicht verlängert werden (19,3 versus 24,8 Monate). Auch das Risiko eines frühen Todes und einer eingeschränkten Lebensqualität erhöhte sich erheblich. Die chirurgische Sterblichkeit nach 90 Tagen lag bei 8,9 %, ein sehr hoher Wert, der in den letzten zwanzig Jahren von spezialisierten Zentren für diesen chirurgischen Eingriff nicht gemeldet wurde.
Die Studienleiter bemängelten ihre mangelnde Patientenselektion, da das Tumor-Staging bei vielen Patienten unvollständig und die Operabilität bei einem so grossen Eingriff sehr fraglich war. Nur 39 % der Patienten erhielten nach der Operation die geplante adjuvante Chemotherapie. Fast 40 % der Patienten, die nur mit Chemotherapie behandelt wurden, erhielten später eine Immuntherapie oder eine Zweitlinien-Chemotherapie, um ihren fortschreitenden Krebs zu kontrollieren, aber nur 20 % in der chirurgischen Gruppe. Darüber hinaus wies die Studie einige andere wichtige statistische methodische Probleme auf. Dennoch kam Studienleiter Prof. Eric Lim zu dem Schluss, dass die zytoreduktive Chirurgie keinen Nutzen bei der Behandlung des Pleuramesothelioms bietet.
Einige Monate später veröffentlichte die Thoraxgruppe der EORTC im European Respiratory Journal die randomisierte Phase-II-Studie EORTC-L1205, in welcher 69 Patienten für eine Pleurektomie/Dekortikation mit präoperativer oder adjuvanter systemischer Chemotherapie (3 Zyklen) randomisiert wurden. Die Patienten waren gut ausgewählt, die chirurgische Sterblichkeitsrate lag bei gleicher Behandlung und Population nach 90 Tagen bei 1,7 %. Die Mehrheit der Patienten (81%) hatte die geplante Chemotherapie rechtzeitig erhalten. Das mediane Überleben war besser: 27 Monate und 33,8 Monate, je nachdem, ob die Operation vor oder kurz nach der Chemotherapie durchgeführt wurde. In beiden Studien war die Rate der postoperativen Komplikationen hoch, und die mediane Dauer des Krankenhausaufenthalts betrug 14 Tage.
In Anbetracht all dieser Studien sind wir der Ansicht, dass die Auswahl der Patienten, insbesondere durch den routinemässigen Einsatz molekularer und genomischer Biomarker, fortschrittlicher Bildgebung durch PET und CT oder Thorax-MRT, von grundlegender Bedeutung ist, um schwere und vergebliche Operationen zu vermeiden. Chirurgische Eingriffe sollten nur von erfahrenen Thoraxchirurgen in spezialisierten Zentren mit grossem Volumen und leistungsfähigen Intensivstationen durchgeführt werden, da chirurgische Komplikationen häufig und manchmal schwerwiegend sind. Systemische Immuntherapien erzielen bei Patienten mit nicht-epithelialem Mesotheliom Überlebensraten, die denen einer multimodalen Behandlung gleichwertig sind, so dass es logisch erscheint, bei diesen Patienten keine zytoreduktive Operation zu empfehlen. Patienten mit einem epitheloiden Mesotheliom, deren Tumor vollständig entfernbar zu sein scheint, sollten an ein Expertenzentrum überwiesen werden, damit ein Tumorboard sie besprechen und bewerten kann.
Es ist wahrscheinlich, dass in den nächsten Jahren eine MARS3-Studie (die nur epitheloide Mesotheliome für eine Pleurektomie/Dekortikation mit Erhalt des Zwerchfells auswählt) durchgeführt wird, die eine endgültige Antwort auf die Frage nach der Rolle der zytoreduktiven Chirurgie beim Pleuramesotheliom geben wird.