Ein gut funktionierender Beckenboden ist für Frauen und Männer wichtig. Doch vor allem eine Schwangerschaft ist eine erhöhte Belastung für den Beckenboden und kann unliebsame Nebenwirkungen nach sich ziehen. Mit gezieltem Beckenbodentraining, das idealerweise schon vor der Schwangerschaft und der Geburt beginnt, kann man diesen entgegenwirken.
Der Beckenboden besteht aus Muskeln, Bindegewebe und Nerven und bildet den Boden unseres Beckenausgangs. Seine Muskulatur gehört zum unteren Teil unseres Skelettmuskelsystems und ist sowohl mit der tiefen Bauch- und Rückenmuskulatur als auch mit dem Zwerchfell verbunden.
Wie jeder Muskel sollte auch die Beckenbodenmuskulatur regelmässig trainiert werden, da sie andernfalls an Stärke verliert, was verschiedene Beschwerden auslösen kann. «Beckenbodentraining ist für alle Menschen wichtig, unabhängig von Geschlecht und Alter», erklärt die ausgebildete Beckenphysiotherapeutin Mirande Zwanenburg, die zusammen mit ihrer Kollegin Martina Jung Beckenbodenrehabilitationen in der Rosenklinik Physiotherapie anbietet. «Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass insbesondere eine Schwangerschaft eine wahrer Stresstest für den Beckenboden ist.»
Tatsächlich gilt eine Schwangerschaft als hohes Risiko für den Beckenboden: Der wachsende Bauch und das Gewicht des Kindes drücken direkt auf die Muskulatur und beanspruchen diese stark. «Der Beckenboden wird vor allem in der zweiten Hälfe der Schwangerschaft stark belastet, zum einen wegen des grösser werdenden Kindes und zum anderen, weil Schwangerschaftshormone den Beckenboden weicher machen, um ihn auf die Geburt vorzubereiten. Bei einer vaginalen Entbindung dehnt sich der Beckenboden um das Dreifache seiner ursprünglichen Länge», sagt Zwanenburg. Ein untrainierter Beckenboden kann bei so viel Belastung schnell einmal überfordert sein, was zu Problemen wie Harn- und Stuhlinkontinenz, Druck- oder Senkungsbeschwerden oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr führen kann. Untersuchungen zeigen, dass etwa eine von vier werdenden Müttern an einer Beckenfunktionsstörung leidet.
Die individuelle Anatomie und bestimmte Risikofaktoren können die Wahrscheinlichkeit von Beckenbodenproblemen erhöhen, etwa schwaches Bindegewebe, Hypermobilitätssyndrom (HMS), Übergewicht sowie vorangegangene Geburten. Auch zu starkes Training oder das Heben von schweren Lasten im Alltag können den Beckenboden schwächen.
«Idealerweise gehört Beckenbodentraining sowohl bei Frauen als auch Männern zum regelmässigen Workout dazu. Vor allem für Frauen mit Kinderwunsch ist es empfehlenswert sich frühzeitig damit auseinandersetzen», sagt Zwanenburg. Ein gut funktionierender Beckenboden könne zwar nicht alle Risiken einer Schwangerschaft beseitigen, aber reduzieren. Nach der Geburt kann das Training dazu beitragen, existierenden Probleme entgegenzuwirken.
Nach der Geburt ist gezieltes Beckenbodentraining besonders zu empfehlen, um die geschwächte Muskulatur wiederaufzubauen. Frauen, die schon vor oder während der Schwangerschaft mit dem Training starten, haben meistens eine bessere Wahrnehmung für ihren Beckenboden und können so schneller auf negative Veränderungen reagieren. «Beckenbodentraining ist nicht nur körperlich, sondern auch psychisch eine enorme Stütze, da Beckenfunktionsstörungen oft mit einem grossen Leidensdruck und Scham verbunden sind. Regelmässiges und gezieltes Training kann die Lebensqualität erheblich verbessern. Es gibt Frauen wieder mehr Vertrauen in ihren eigenen Körper und Sicherheit», betont Zwanenburg.
Eine Geburt ist eine grosse Herausforderung für den Körper. Eine Beckenbodenphysiotherapie empfiehlt sich nach der Geburt daher in jedem Fall. Mit der Rückbildung kann ungefähr vier bis zwölf Wochen nach der Geburt begonnen werden. Der genaue Zeitpunkt hängt vom Geburtsverlauf, der Entbindungsart und der Wundheilung ab. Das Training sollte daher immer in Absprache mit der Gynäkologin oder dem Gynäkologen erfolgen.
Wie der Beckenboden trainiert werden soll, definiert die individuelle Ausgangslage der betroffenen Person. Aus diesem Grund sollte das Training unter Anleitung einer auf Beckenbodenrehabilitation spezialisierten Fachperson erfolgen. In der Schweiz ist Beckenbodentherapie von der Krankenkasse anerkannt und kann über eine Physiotherapieverordnung verschrieben werden. Einige Krankenkassen übernehmen auch präventive Therapien.
Wir empfehlen in erster Linie, auf eine aufrechte Haltung, auf sein Gewicht zu achten und regelmässig gezieltes Beckenbodentraining zu machen: «Dies fördert die Aktivität des Beckenbodens und reduziert den Druck auf die Organe und die Muskulatur.»
Mirande Zwanenburg arbeitet seit 1992 als Physiotherapeutin und hat sich seit 2002 auf Beckenboden-Rehabilitation für Männer und Frauen spezialisiert. Sie ist Mitglied von Pelvisuisse, der Schweizer Gesellschaft für Beckenbodenphysiotherapie. Ihre Patientinnen und Patienten begrüsst sie in der Rosenklinik Physiotherapie, die sie zusammen mit ihrem Mann Hajo Zwanenburg gründete.
Martina Jung arbeitet als Physiotherapeutin in der Rosenklinik Physiotherapie und schloss 2023 ihre Ausbildung zur zertifizierten Beckenbodenphysiotherapeutin (Pelvisuisse) ab. Neben Beckenbodenphysiotherapie bietet sie auch Rückbildungskurse sowie «Back to sport»-Programme für Mütter an.